Mein Bruder Horst





TRANSKRIPT
Festgezurrt im Gespinst aus alter Angst und Schuld (?) – Um Fassung ringend –
schützend den unendlich weichen Kern   ¶   Lisa K.   ¶   18. Mai 2004   ¶   Bad Kissingen



[ erlebt: 8-jährig / 1964 ]
[ Medium1: Negativ-Foto-Abzug ] [ Archivierung: Elternhaus / Flur / Wandschrank / Fotoalbum ]
[ Medium2: Serviette ] [ Archivierung: Arbeitszimmer / Glasvitrine ]

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Ein schöner Sommertag im Jahr 1964 auf dem Sportplatz. Der älteste Bruder meines Vaters und vier seiner Nichten und Neffen, ich ganz links und zwischen meinem Onkel und mir mein damals sechsjähriger Bruder Horst.
       Einige Monate später, am 28. September, gingen wir nach dem Laterne-Singen mit ausgelöschten Laternen am rechten Straßenrand einer Kreisstraße zurück nach Hause. Horst ging links von mir, als plötzlich ein Auto von hinten heranfuhr und ihn von mir nahm. Er war auf einmal wie vom Erdboden verschwunden. Wir Kinder, ein Nachbarsjunge war noch dabei, begannen ihn zu suchen und fanden ihn schließlich im Straßengraben. Er war noch am Leben, doch auf dem Weg ins Krankenhaus verstarb er. So wurde er uns, der Familie, genommen. Seit diesem Tag begleitet mich die Traurigkeit.
       Im Jahr 2004, 40 Jahre nach dem Unfall, brachte in einer psychosomatischen Klinik eine ebenfalls seelisch leidende junge Frau das zum Ausdruck, was ich zu verbergen versuchte, weswegen es mir schwerfällt, das Leben zu genießen.


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