Früh Morgens



TRANSKRIPT
Sie guckte in den Spiegel. War sie das? Dunkel aussehende Augen, so unendlich traurig. Gräben, die längst vertrocknete Flüsse aber auch Meere symbolisieren, umgaben diese kleinen Universen.   ¶   Nein, das konnte nicht sein, sie würde nie so verbittert aussehen. Sie war doch einmal das Gesicht eines Engels. Sie hatte alle mit ihren großen Augen bezaubert. Doch die Schatten der Erinnerung hatten sie wohl doch eingeholt. Die Spuren ihrer langsamen Zerstörung sind sichtbar geworden und die Narben... Die Narben konnte man abdecken. Sie machte jeden Morgen ein Fest daraus, sie zu verstecken. Es machte sie froh, das Gefühl zu haben, Macht über das Geschehen über ihre Vergangenheit inne zu haben. Das eine mal hatte sie das Gefühl zu sein.   ¶   Sie guckte aus dem Fenster. Dick geschminkt stolzierte sie in ihrer hohen Altbauwohnung hin und her. Sie hatte ihre Sicherheit wieder. Sie dachte daran, den Spiegel zu zerstören.



[ erlebt: 16-jährig / 2000 ]
[ Medium: Kurzgeschichte ] [ Archivierung: Wohn-/Arbeitszimmer / Schreibtisch / Notizbuch / Schublade ]

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Die Kurzgeschichte war eine Hausaufgabe, die ich am 11.02.2000 für den Deutschunterricht geschrieben habe. Ich bin besonders stolz auf sie, da sie als einzige Geschichte zur Analyse mit der gesamten Klasse ausgewählt wurde. In diesem Rahmen habe ich zum ersten Mal mein Geschriebenes mit mehr Leuten als meiner besten Freundin geteilt und fand die kritische Auseinandersetzung damit sehr interessant und hilfreich.
       Die Geschichte an sich stellt allerdings keine konkrete Erinnerung dar und ist nicht 100%ig autobiografisch, auch wenn Tendenzen meiner eigenen pubertären Lebenswelt zu erkennen sind.


© 2009 carolin lewecke // impressum // kontakt