Carpe Diem





TRANSKRIPT
C. bei der Eignungsprüfung   ¶   Carpe Diem? Cease the day? Nutze den Tag? Na toll!

Äh, ’tschuldigung könnte ich vielleicht meinen Telefonjoker anrufen?

Zzzz   ¶   Ich hätte die Zeit nutzen können um mal wieder AUSSCHLAFEN zu können *grummel*

Aber da ich schon mal hier bin, kann ich auch unter Beweis stellen, dass ich GESTALTEN will!!

Ich nutze den Tag, um meinem Ziel einen Schritt näher zu kommen!   ¶   Yeah, das klingt toll! ;-)

H&M   ¶   Wenn ich mutig wäre würde ich die Zeit nutzen, um mal wieder SHOPPEN zu gehen. Davon
könnte ich Fotos machen, um zu demonstrieren, wie ich die Zeit genutzt habe. Aber ich bin nicht so mutig...

Am liebsten gestalte ich ja mit der Maus. Aber das werde ich wohl heute nicht beweisen können...

Aber dafür kann ich der Kommission zeigen, dass ich auch mit Zettel und Stift umgehen kann!!

Hoffentlich können die meine Schrift lesen!!   ¶   ENDE



[ erlebt 20-jährig / 2003 ]
[ Medium: Zeichnung / Comic ] [ Archivierung: Wohn-/Arbeitszimmer / Dachbodenschräge / Eignungsprüfungsmappe / Klarsichtfolie ]

w26
Dieser zweiseitige Comic ist bei der Eignungsprüfung an meiner Fachhochschule entstanden, bei der ich mich im Januar 2003 für Grafik und Kommunikationsdesign beworben hatte. Um genau zu sein, ist dies nur eine Kopie, die ich wenige Tage später aus dem Kopf heraus anfertigte, da das Original bei der Eignungsprüfungs-Kommission verblieben war.
       Den ersten Tag der Prüfung, bei dem eine Mappe mit ca. 20 Arbeiten und eine Hausaufgabe zum Thema »Liebe« oder »Grenze« auf künstlerisch-gestalterisches Talent geprüft wurde, hatte ich zum Glück gut überstanden. Also durfte ich am zweiten Tag wieder kommen und musste eine vierstündige Klausuraufgabe hinter mich bringen. Diese sollte zum Thema »Carpe Diem« auf zwei DIN A4-Blättern angefertigt werden. Was letzten Endes auf oder aus den zwei Blättern entstehen würde, war unserer Kreativität überlassen.
       Wir mussten uns für die Aufgabe nicht im Klausur-Raum aufhalten, sondern konnten uns frei im Gebäude oder auch draußen bewegen. Ich ging in die Bibliothek und suchte dort nach Inspiration, wurde aber nicht fündig. Anschließend ging ich noch mit einem Mädel in den benachbarten Park und schaute den Enten zu. Nach ca. zwei Stunden des »Nichtstuns« (zumindest nichts Produktives) ging ich zurück in den Raum und zeichnete diesen Comic. Ich hatte zwar etwas wahnsinnig Außergewöhnliches machen wollen, da ich einen Comic über mich bei der Eignungsprüfung sehr nahe liegend fand. Da mir aber nichts Besseres einfiel, machte ich mich ans Werk.
       Die Zeit drängte etwas und so musste ich auf eine Vorskizze verzichten. Völlig konzeptlos zeichnete ich drauflos. Ich malte ein Kästchen nach dem anderen, ohne überhaupt zu wissen, wie der Comic ausgehen sollte. Einfach aus dem Bauch heraus. Die Titelseite habe ich in der letzten halben Stunde fertig gestellt und konnte die zwei Seiten gerade noch rechtzeitig abgeben.
       Nachmittags bei der Verkündung der Ergebnisse war ich überglücklich, meinen Namen zu hören. Ich hatte bestanden! Zwar hieß das noch nicht, dass ich auch einen Studienplatz bekommen würde, aber im Nachrückverfahren bekam ich glücklicher Weise doch noch einen! Als ich mich nach Bekanntgabe der Prüfungsnote nach den Einzelnoten erkundigte, erfuhr ich, dass die Noten sowohl für meine Mappe, als auch für die Hausaufgabe nicht so berauschend waren. Also wird es wohl dieser Comic gewesen sein, der die Kommission letztendlich »überzeugt« haben muss.
       Heute bin ich sehr froh, diesen Comic damals ein zweites Mal gezeichnet zu haben. Da ich den Comic direkt nach der Prüfung angefertigt habe, stimmt es in Bild und Wort ziemlich genau mit dem Original überein. Nun dient er mir als Andenken an die nervenaufreibende Zeit und bezeugt gleichzeitig, dass Bauchentscheidungen (trotz meiner heutigen Kenntnisse über konzeptionelles Gestalten) auch manchmal richtig sein können.


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