Mama weg, Papa weg, alle weg











TRANSKRIPT
liebe Ymgrid un RaFaela ich vien Sajausen Mawe elta en ARIZA – clima es bundaba ales tages Sone 25gados gute luz y Sea Fil Rua Fil Grosen Fe Mawe elta   ¶   RaFaela   ¶   MuKilemann   ¶   Fil besos daine   ¶   Papa Santiago   ¶   adios

ÜBERSETZUNG
Liebe Ingrid und Rafaela ich bin Zuhause bei meinen Eltern in ARIZA. – Klima ist wunderbar. Alle Tage Sonne, 25° Grad, gute Luft und sehr viel Ruhe. Viele Grüße von meinen Eltern.   ¶   Rafaela   ¶   Mukilemann   ¶   viele Küsse dein   ¶   Papa Santiago   ¶   tschüss


[ erlebt: 38-jährig / 1975 ]
[ Medium: Postkarte ] [ Archivierung: Keller / Regal / Pappkarton ]

w71
Diese zwei Karten schickte mein Mann Santiago in den 70ern an mich, meine Mutter und unsere Tochter, der er den Spitznamen »Mukilemann« gegeben hatte. Einmal pro Jahr in den Sommerferien fuhr Santiago seine Familie in Spanien besuchen. Allerdings ist er meistens allein gefahren. In Spanien kaufte er immer Karten und schrieb mal mehr, mal weniger hinten drauf. Dann steckte er mehrere Karten in einen Kuvert und schickte sie uns. Mit den Jahren sammelten sich somit stapelweise Karten an.
       Santiago war etwa 1958 nach Deutschland gekommen, um hier zu arbeiten. Etwa vier Jahre später hab ich ihn kennen gelernt und 1968 heirateten wir schließlich und bekamen 1969 unsere Tochter. Santiago hatte ein Leben lang Probleme mit der deutschen Sprache. Er konnte sich verständigen, hat die Menschen verstanden und das hat ihm genügt. Wahrscheinlich hatte er immer im Hinterkopf, dass er hier nur bleibt, um Geld zu verdienen und später im Alter sowieso zurück nach Spanien geht. Bevor er überhaupt nach Deutschland kam, hatte er nämlich schon ein Grundstück in Spanien gekauft.
       Kurz nachdem er in Rente gegangen war, stellte sich plötzlich heraus, dass er seit Jahren dabei war, ein Haus auf diesem Grundstück zu bauen, wovon er uns aber nie etwas erzählt hatte. All die Jahre, vier Jahrzehnte, war er jeden Sommer in Spanien beim Hausbau! Zur Fertigstellung fehlten nun nur noch die Fenster, doch als Rentner hatte er dafür kein Geld mehr und so nahm ich einen Kredit auf, um ihn dabei zu unterstützen.
       Als mein Mann 2006 ganz plötzlich und unerwartet von uns ging, starb mit ihm auch sein großer Lebenstraum, in die Heimat zurückzukehren, in das eigene Haus, das er all die Jahre für sich und uns gebaut hatte.


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